Presse

Universitätsmedizin Mainz forciert Forschung zu Naturstoffen

08. Februar 2023

Die Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie der Universitätsmedizin Mainz hat ein Naturstoffzentrum gegründet. Es widmet sich der Frage, ob und welche Naturstoffe gegen urologische Tumore wirksam sein könnten. Zudem wollen die Forschenden untersuchen, welche Naturstoffe Therapieresistenzen bei Prostata-, Nieren- und Harnblasenkrebs überwinden können. Der Fokus liegt auf pflanzlichen Extrakten und daraus isolierten Wirkstoffen, beispielsweise Artesunat aus dem Einjährigen Beifuß, Curcumin aus der Kurkuma-Wurzel oder Sulforaphan aus Brokkoli. Ziel ist es, etablierte Behandlungsmethoden um den Einsatz von Naturstoffen zu ergänzen und dadurch einen besseren Therapieeffekt erzielen zu können. Die Brigitta und Norbert Muth-Stiftung fördert das Forschungsvorhaben für fünf Jahre mit einer halben Million Euro.

„Mit der Gründung des Naturstoffzentrums erweitert die Universitätsmedizin Mainz ihre Forschungsaktivitäten zu urologischen Tumorerkrankungen. Für die Translation der erzielten Erkenntnisse ist es dabei von enormem Vorteil, dass das neue Zentrum in die Strukturen des Uroonkologischen Zentrums eingebettet ist und mit den Fachbereichen Biologie und Chemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz kooperiert“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Axel Haferkamp, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie der Universitätsmedizin Mainz, und ergänzt: „Unter der Leitung von Prof. Dr. Roman Blaheta sollen an Zell- und Tiermodellen, also an in vitro und in vivo Modellen, neue Erkenntnisse gewonnen werden und diese in klinische Studien einmünden.“

Im Rahmen der Tumortherapie können sich einzelne Krebszellen als resistent erweisen, das heißt, die eingesetzten Medikamente erzielen nicht mehr die gewünschte Wirkung. Tatsächlich stellen Therapieresistenzen eines der Hauptprobleme bei der Behandlung von fortgeschrittenen Krebserkrankungen dar. Entsprechend wächst der Bedarf an neuartigen Wirkstoffen, die diese Resistenzen überwinden oder in einer sogenannten integrativen Therapie die Wirkung existierender Medikamente unterstützen können. Als Grundlage für neue Arzneimittel dienen häufig pflanzliche Wirkstoffe aus der Natur. Aktuell basieren rund 65 Prozent der verfügbaren Medikamente der Schulmedizin auf diesen sogenannten Naturstoffen.

„Viele Naturstoffe gelten als vielversprechendes Mittel gegen Krebs, jedoch liegen oftmals nur unzureichende wissenschaftlich fundierte Daten vor. In Experimenten mit chemoresistenten Tumorzelllinien konnten wir bereits feststellen, dass einige Pflanzeninhaltsstoffe in der Lage sind, Wachstum und metastatische Ausbreitung zu hemmen. Im nächsten Schritt gilt es, die Wirksamkeit dieser Inhaltsstoffe auch in Krebszellen zu untersuchen, die direkt vom Patienten stammen. Nur so können wir eine erfolgreiche Translation in die klinische Anwendung erreichen“, erklärt PD Dr. Eva Jüngel, Laborleiterin an der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie der Universitätsmedizin Mainz.

Professor Blaheta ergänzt: „Bei Betroffenen mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung ist der Wunsch nach alternativen Behandlungen groß. So groß, dass viele von ihnen in ihrer Verzweiflung versuchen, sich selbst mit Wirkstoffen aus der Natur zu therapieren. Manche der auf dem Markt erhältlichen Produkte entbehren allerdings jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Daher kann eine Selbsttherapie schwerwiegende Folgen haben, insbesondere wenn sie falsch angewendet wird. Als gutes Beispiel gilt der übermäßige Verzehr von Aprikosenkernen mit Amygdalin als Inhaltsstoff. Der rasche Abbau zu Cyanid kann schwere Vergiftungserscheinungen auslösen. Daher möchten wir als Naturstoffzentrum den Patient:innen und auch behandelnden Ärzt:innen eine seriöse Informationsplattform bieten und dazu beitragen, Naturstoffe evidenzbasiert in die Tumorbehandlung einzubringen.“

Zum Aufbau des Naturstoffzentrums wechselt Professor Blaheta vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main an die Universitätsmedizin Mainz. Das Mainzer Team steht weiterhin im engen Austausch mit Frankfurter Forschergruppen. Neben dieser Zusammenarbeit bestehen auch klinikinterne und externe Kooperationen, weitere sind geplant. Das neue Naturstoffzentrum der Universitätsmedizin Mainz wird von der Brigitta und Norbert Muth- Stiftung gefördert, die seit mehreren Jahren Arbeiten zu neuen Therapieansätzen aus Naturstoffen in Frankfurt und Mainz unterstützt. Für den Aufbau des Naturstoffzentrums hat die Stiftung eine Finanzierung von über einer halben Million Euro für die nächsten fünf Jahre zugesichert.

Innovative Krebsforschung beim 65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V.

01. Dezember 2013

Bis zu 90% der Patienten mit einer Krebserkrankung wenden im Verlauf ihrer Erkrankung Methoden der sogenannten alternativen Medizin (CAM) an. CAM nimmt für sich in Anspruch, als alleinige oder begleitende Therapie effektiv zu sein. Trotzdem ist der Nutzen von CAM in den meisten Fällen nicht erwiesen. Ein Paradebeispiel ist der Wirkstoff Amygdalin, eine Natursubstanz, die in Aprikosen-, Apfel- und Pfirsichkernen angereichert vorliegt. Detaillierte wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit von Amygdalin sind bislang noch nicht erbracht worden. Dies hat zur Folge, dass die Bewertung von Amygdalin nur auf Grundlage unsachlicher und unseriöser Berichte erfolgen kann, die Patienten sind verunsichert. und Befürworter stehen Skeptikern nahezu unversöhnlich gegenüber.

Was steckt tatsächlich hinter Amygdalin?

Mit Unterstützung der Brigitta und Norbert Muth Stiftung wurde eine Pilotstudie an der Goethe-Universitätsklinik Frankfurt gestartet. Unter Leitung von Prof. Dr. Axel Haferkamp, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie, sowie Prof. Dr. Roman Blaheta, Leiter des wissenschaftlichen Forschungslabors, ist in präklinischen Experimenten der Nachweis erbracht worden, dass Amygdalin das Wachstum isolierter Tumorzellen deutlich zu hemmen vermag. Erste Auswertungen geben Hinweise darauf, dass Amygdalin in den Prozess der ungezügelten Zellvermehrung eingreift und wachstums-stimuliernde Signale blockiert. Interessant ist, dass im Zellmodell keine Anzeichen von Giftigkeit festgestellt werden konnten.

Auf dem 65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie im September 2013 in Dresden wurden erste Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppe mit großer Beachtung vorgestellt. Weitere Studien zur Bewertung der klinischen Brauchbarkeit von Amygdalin sollen nun folgen.